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Miesmuscheln kleben sich mit Fäden an Steine und Mauern. So bleiben sie auch bei starker Strömung an Ort und Stelle. Doch diese Fäden werden in zu saurem Wasser nicht hart. So verlieren die Muschen Halt und sind leichte Beute für Seesterne, Krabben oder Fische.

Miesmuscheln leben in großen Gruppen an Steinen, Mauern oder Pfählen im Meer. Damit sie nicht einfach von den Wellen weggespült werden, stellen sie besondere Fäden her. Diese Fäden heißen Byssusfäden. Man kann sie sich wie kleine Seile vorstellen, die am Ende eine Art Klebepad haben. Mit diesen Seilen halten sich die Muscheln fest und bilden dichte Muschelbänke, die sogar starke Strömungen aushalten. Für die Muschel ist das überlebenswichtig, denn nur wenn sie gut verankert ist, kann sie sicher Nahrung aus dem Wasser filtern und geschützt bleiben.

Doch die Stärke dieser Fäden hängt sehr vom Wasser ab, in dem die Muschel lebt. Das Meerwasser hat normalerweise einen pH-Wert von etwa 8,1. Das bedeutet, es ist leicht basisch und nicht sauer. Durch den Klimawandel nimmt das Meer jedoch immer mehr Kohlendioxid aus der Luft auf. Dieses Gas löst sich im Wasser und bildet Kohlensäure. So sinkt der pH-Wert des Meeres langsam, das Wasser wird also saurer. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nennen das Ozeanversauerung.

Wenn das Wasser saurer wird, verändert sich die Herstellung der Byssusfäden. Die Muscheln produzieren zwar weiterhin Fäden, doch diese Fäden sind weniger stabil und härten nicht richtig aus. Das führt dazu, dass die Klebefläche am Ende des Fadens nicht mehr so stark haftet. Es ist ein bisschen so, als würde man mit einem Stück frischem Kaugummi etwas an die Wand kleben: Am Anfang hält es gut, doch wenn der Kaugummi weich und matschig bleibt, löst er sich schnell wieder ab. Genauso geht es den Muscheln in zu saurem Wasser.

In Versuchen wurde festgestellt, dass Miesmuscheln bei einem etwas niedrigeren pH-Wert Fäden herstellen, die deutlich schwächer sind. Bei einem pH-Wert von 7,5, also nur leicht saurer als normal, hatten die Fäden schon rund 40 Prozent weniger Halt. Bei anderen Arten wurden sogar Verluste von bis zu 65 Prozent gemessen. Außerdem bilden die Muscheln in saurem Wasser insgesamt weniger Fäden. Damit haben sie gleich zwei Probleme: Zum einen sind die vorhandenen Fäden nicht stark genug, zum anderen gibt es auch weniger Fäden, die überhaupt Halt geben könnten.

Für die Muscheln bedeutet das eine echte Gefahr. Wenn eine Welle sie trifft oder eine Strömung an ihnen zieht, verlieren sie schneller ihren Platz und werden weggespült. Auch Feinde wie Seesterne, Krabben oder Fische haben es leichter. Normalerweise sind Muscheln durch ihre feste Verankerung schwer zu erbeuten, doch wenn die Fäden schwach sind, können die Tiere sie einfach von den Steinen reißen. Auf diese Weise werden Miesmuscheln im sauren Wasser zu leichter Beute.

Die Aussage, Miesmuscheln würden saures Wasser lieben, ist deshalb falsch. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Saures Wasser macht ihre Lebensweise unsicher. Die schwachen Fäden gefährden nicht nur einzelne Tiere, sondern ganze Muschelbänke. Und das wirkt sich auch auf andere Lebewesen aus, denn viele Tiere sind auf Muscheln als Nahrung oder Lebensraum angewiesen. Für uns Menschen bedeutet das ebenfalls ein Problem, weil Miesmuscheln als Nahrungsmittel wichtig sind und auch eine Rolle dabei spielen, das Wasser zu reinigen.